Die Weltreligionen

Die Weltreligionen

 

 

 

von: Arnulf Zitelmann

Campus Verlag, 2008

ISBN: 9783593403526

Sprache: Deutsch

225 Seiten, Download: 11353 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Weltreligionen



Taoismus: Die kosmische Urkraft (S. 16-17)

Der Tao Te King, »Das Buch vom Tao und Te«, ist unter den zeitreisenden Büchern eines der kleinsten. Es umfasst gerade mal 5000 chinesische Schriftzeichen in 81 kurzen Kapiteln, so viele Worte wie ein schmales Gedichtbändchen, mehr nicht. Geschrieben hat es ein chinesischer Philosoph namens Laotse, der vermutlich im 4. Jahrhundert vor unserer Zeit lebte. Laotse, manche sagen auch Laozi oder Lao-tse, ist chinesisch und bedeutet »alter Meister«. Aus einer Entfernung also von 2500 Jahren kam sein Büchlein 1947, zwei Jahre nach Kriegsende, zum ersten Mal in meine Hände. Bis heute hat es mich begleitet. Aber nie wieder riss ich die Augen auf wie damals, als ich frisch und unvorbereitet darin blätterte und las.

Ein Manifest gegen den Krieg

»Wo Heere lagern, wachsen Disteln und Dornen, auf lange Kriege folgen Jahre der Not«, schrieb Laotse, und genau das war meine Situation. Mit Glück hatte ich den Krieg überlebt und befand mich inmitten einer unermesslichen Trümmer- und Ruinenlandschaft, die Hitler uns hinterlassen hatte. »Disteln und Dornen«, die auf den Schutthalden wuchsen, soweit die Augen reichten. Ich las die Worte des Weisen: »Ein guter Führer kennt seine Kraft, wenn er siegt, hält er inne und lässt der Gewalt nicht freien Lauf.

Er kennt seine Kraft, doch prahlt er nicht damit, nur widerwillig macht er von seiner Kraft Gebrauch, er hasst die Gewalt. Treibt man die Dinge bis ans bittere Ende, geht nichts mehr nach Tao-Art. Doch übst du am Tao Verrat, kommt bald die Wende.« Was Tao-Art ist, wusste ich nicht, jedenfalls hatte Hitler diese nicht praktiziert. Laotses Worte klangen wie eine nachträgliche Untergangsprophetie: »Ein böses Werkzeug sind Waffen, ein Mensch von Tao-Art benutzt sie nicht. Widerwillig nur greift er zur Waffe, Frieden, Nachdenklichkeit schätzt er am meisten. Er siegt, aber freut sich nicht daran. Wer sich an Siegen berauscht, ist der Mordlust verfallen, wer aber der Mordlust verfällt, erreicht nicht sein Ziel in der Welt. Mit Trauer, unter Tränen, soll man der Abgeschlachteten gedenken, mit Trauerriten feiern den Sieg.«

Ich war mit Wehrsport groß geworden, in der Hitlerjugend. Siegesfanfaren ertönten zu Kriegsbeginn, und germanisches Heldentum predigten uns die Schulbücher. Gelobt sei, was hart macht, war unser Wahlspruch. Jetzt lernte ich bei Laotse: »Das Feste und Harte gehört dem Tode, das Weiche und Schwache gehört dem Leben. Daraus folgt: Durch Waffenhärte gewinnst du nichts.« Und weiter: »Wie weich und schwach ist der Mensch, wenn er geboren wird, wie fest und stark, wenn er stirbt. Weich und biegsam sind Kräuter und Bäume, wenn sie entstehen – sterben sie ab, sind sie trocken und dürr. Festigkeit und Härte sind des Todes Begleiter, das Weiche und Schwache sind Begleiter des Lebens. Daraus folgt: Sind die Waffen stark, siegen sie nicht, ist ein Baum stark, wird er gefällt. Das Große geht an sich selbst zu Grunde, das Weiche und Schwache obsiegt. « Und noch einmal: »Was andere lehren, das lehre ich auch: Ein Balkenstarker nimmt kein gutes Ende! Das soll der Ausgangspunkt meiner Lehre sein!«

Noch nie hatte ich dergleichen gehört oder gelesen. Viel später erst erschloss sich mir die historische Dimension dieser Sätze. Im gleichen Zeitraum, als in China der Tao Te King entstand, schwor Ashoka, der große indische Herrscher und Buddha-Verehrer, öffentlich dem Krieg ab. In Israel predigten die Propheten gegen den Krieg, und der Grieche Sophokles legte Antigone die Worte in den Mund: »Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich geboren.«

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