Interview und schriftliche Befragung

Interview und schriftliche Befragung

 

 

 

von: Horst O. Mayer

De Gruyter Oldenbourg, 2008

ISBN: 9783486586695

Sprache: Deutsch

204 Seiten, Download: 1492 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Interview und schriftliche Befragung



5. Qualitative Befragung – Das Leitfadeninterview (S. 41-42)

5.1 Das Leitfadeninterview als Experteninterview

Verbale Daten werden in der qualitativen Forschung mittels Erzählung oder mittels Leitfadeninterview gewonnen. Steht der Verlauf des einzelnen Falls und der Kontext von Erfahrungen im Vordergrund der Fragestellung, so sind meist Erzählverfahren wie z.B. das narrative Interview dem Leitfadeninterview vorzuziehen.

Sind konkrete Aussagen über einen Gegenstand Ziel der Datenerhebung, so ist ein Leitfadeninterview der ökonomischere Weg. (vgl. Flick 1999, S. 114) Kennzeichnend für Leitfadeninterviews ist, dass ein Leitfaden mit offen formulierten Fragen dem Interview zu Grunde liegt. Auf diese kann der Befragte frei antworten. Durch den konsequenten Einsatz des Leitfadens wird einmal die Vergleichbarkeit der Daten erhöht und zum anderen gewinnen die Daten durch die Fragen eine Struktur. Der Leitfaden dient als Orientierung bzw. Gerüst und soll sicherstellen, dass nicht wesentliche Aspekte der Forschungsfrage im Interview übersehen werden.

Das Interview muss jedoch nicht strikt nach der zuvor festgelegten Reihenfolge der Fragen des Leitfadens verlaufen. Auch hat der Interviewer selbst zu entscheiden, ob und wann er detailliert nachfragt und ausholende Ausführungen des Befragten unterstützt bzw. ob und wann er bei Ausschweifungen des Befragten zum Leitfaden zurückkehrt. (vgl. Flick 1999, S. 112ff. und Friebertshäuser 1997, S. 376f.)

"Diese Einzelentscheidungen, die nur in der Interviewsituation selbst getroffen werden können, verlangen vom Interviewer ein großes Maß an Sensibilität für den konkreten Interviewverlauf und für den Interviewten. Darüber hinaus verlangen sie ein großes Maß an Überblick über das bereits Gesagte und seine Relevanz für die Fragestellung der Untersuchung. Dabei ist eine permanente Vermittlung zwischen dem Interviewverlauf und dem Leitfaden notwendig. (...) Deshalb hat sich ein ausführliches Interviewtraining als notwendig erwiesen, in dem in Rollenspielen die Anwendung des Leitfadens erprobt wird." (Flick 1999, S. 113)
Das Leitfadeninterview orientiert sich an der Forderung nach Offenheit qualitativer Forschung. Daher sollte der Interviewer nicht zu starr am Leitfaden kleben und im falschen Moment Ausfüh- rungen unterbrechen. Allzu weite, themenferne Ausschweifungen gilt es jedoch zu verhindern, da ansonsten die Interviewzeit zu sehr ausgeweitet wird und das dabei erzeugte – und für die Forschungsfrage meist wenig informative – Datenmaterial auch ausgewertet werden muss.

Eine besondere Form des Leitfadeninterviews ist das Experteninterview. Der Befragte ist hier weniger als Person (wie z.B. bei biographischen Interviews), sondern in seiner Funktion als Experte für bestimmte Handlungsfelder interessant. Das Experteninterview bezieht sich auf einen klar definierten Wirklichkeitsausschnitt. Auch wird der Befragte nicht als Einzelfall, sondern als Repräsentant einer Gruppe in die Untersuchung einbezogen. Dem Leitfaden kommt hier deshalb in Hinblick auf den Ausschluss unergiebiger Themen eine noch stärkere Steuerungsfunktion zu.

Zentrale Aufgabe ist es, den Befragten auf das interessierende Expertentum zu begrenzen bzw. festzulegen. (vgl. Flick 1999, S. 109f. sowie Meuser u. Nagel 1991) Da das Interview den Befragten auf seine Eigenschaft als Experten einschränken muss, stellen sich verstärkt Steuerungsprobleme. Weiters muss der Interviewer dem Befragten verdeutlichen, dass er mit der Thematik vertraut ist. Beide Funktionen hat ein Leitfaden zu erfüllen.

"Die in die Entwicklung eines Leitfadens eingehende Arbeit schließt aus, dass sich der Forscher als inkompetenter Gesprächspartner darstellt. (...) Die Orientierung an einem Leitfaden schließt auch aus, dass das Gespräch sich in Themen verliert, die nichts zur Sache tun, und erlaubt zugleich dem Experten, seine Sache und Sicht der Dinge zu extemporieren". (Meuser u. Nagel 1991, S. 448)

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