Prävention bei Paaren und Familien
von: Nina Heinrichs, Guy Bodenmann, Kurt Hahlweg
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2008
ISBN: 9783840921063
Sprache: Deutsch
256 Seiten, Download: 2651 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Kapitel 4 Förderung von Erziehungskompetenzen durch Präventionsangebote (S. 129-130)
4.1 Einleitung und theoretischer Hintergrund
Viele Paare entscheiden sich im Verlauf ihres Lebens dafür, Kinder zu bekommen. Der Übergang von der Dyade zur Triade kann als Entwicklungsaufgabe im Sinn einer Übernahme von Elternschaft betrachtet werden. Diese Lebensphase birgt sowohl Risiko als auch Schutz: paradoxerweise verschlechtert ein (erstes) Kind die Partnerschaftszufriedenheit erheblich (Cowan et al., 1985, Terry et al., 1991), während jedoch das Vorhandensein eines Kindes gleichzeitig vor einer Scheidung schützt (Belsky & Kelly, 1994). Das bedeutet, dass Paare, wenn sie Eltern werden, sich deutlich unzufriedener über die Partnerschaft äußern, während sie gleichzeitig aber an Stabilität dazu gewinnen. Um den Abfall in der Zufriedenheit zu verhüten, wurden Programme zur Unterstützung von Paaren im Übergang zur Elternschaft entwickelt. Diese werden in dem Abschnitt 4.2 (Prävention mit Hilfe von themenspezifischen Programmen für Eltern) dargestellt.
Paare, die Eltern werden, übertragen viele Aspekte ihres eigenen Lebens auf die Kinder. Dies kann durch genetische Ähnlichkeiten, Umweltähnlichkeiten oder auch die Interaktionen von beiden zustande kommen (Moffitt, 2005). Tatsache ist, dass Eltern in konfliktreichen Partnerschaften oft über verhaltensauffällige Kinder klagen (Burman et al., 1987) oder Kinder mit emotionalen oder Verhaltensproblemen vermehrt Konflikte zwischen ihren Eltern wahrnehmen (Osborne & Fincham, 1996). Die Kausalität ist dabei vermutlich bidirektional (Fincham, 1994).
Wenn Paare sich über die Erziehung streiten, dann weisen solche Erziehungskonflikte den größten Zusammenhang zu kindlichen Verhaltensproblemen auf (Jouriles et al., 1991). Erziehungskonflikte stellen eine besondere Herausforderung für Paare dar, die auch auf das Erziehungsverhalten einwirken und auf diesem Weg ungünstigen Einfluss auf die kindliche Entwicklung nehmen (Sturge-Apple et al., 2006).
Ehekonflikte sind auch prädiktiv für internalisierende und externalisierende Schwierigkeiten der Kinder (Katz & Gottman, 1993). In dieser Longitudinalstudie wurde untersucht, wie eheliche Interaktionen die Kinder beeinflusst. Zwei unterschiedliche und nicht korrelierende eheliche Interaktionsmuster (wechselseitige Feindseligkeit/Verachtung vs. Forderung-Rückzug, erfasst über Beobachtung der Interaktion in Konfliktsituationen) wurden jeweils mit externalisierenden und internalisierenden Problemen der Kinder (erfasst über Lehrereinschätzungen) in Beziehung gesetzt. Das wechselseitige feindselige Muster, das auch mit späterer Scheidung korrelierte, sagte das externalisierende Verhalten von Kindern 3 Jahre später vorher.
Das Forderung- und Rückzugsmuster der Ehemänner sagte interna lisierendes Verhalten 3 Jahre später vorher. Die Ehezufriedenheit und das kindliche Temperament waren nicht mit den späteren psychischen Beschwerden der Kinder verknüpft. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass spezifisches Verhalten von Paaren beim Lösen von ehelichen Streitigkeiten zum Auftreten von internalisierendem und externalisierendem Verhalten beitragen kann. Wie Paare miteinander umgehen (siehe Kapitel 3) hat einen Einfluss auf die psychische Entwicklung des Kindes, auch wenn die Kausalität bisher nur selten untersucht wurde.
Longitudinale Studien, wie die von Katz und Gottman (1993), weisen allerdings sowohl auf dieses Muster (vom Paar auf das Kind) hin wie auch auf das umgekehrte Muster (vom Kind auf das Paar). Es ist immer wieder berichtet worden, dass besonders Kinder mit externalisierenden Störungen beide Partner sowohl als Individuen als auch als Paar so (über-) fordern können, dass die Paarbeziehung darunter erheblich leiden kann (Gabriel & Bodenmann, 2006, Sanders et al., 1997). In einer neueren Studie wurde gezeigt, dass das Erziehungsverhalten beider Eltern die Beziehung zwischen partnerschaftlichen Konflikten und problematischem Verhalten der Kinder vollständig mediiert (Kaczynski et al., 2006).