Psychoanalyse - Neurobiologie - Trauma

Psychoanalyse - Neurobiologie - Trauma

 

 

 

von: Maria Leuzinger-Bohleber, Gerhard Roth, Anna Buchheim

Schattauer GmbH, Verlag für Medizin und Naturwissenschaften, 2007

ISBN: 9783794564217

Sprache: Deutsch

215 Seiten, Download: 2878 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Psychoanalyse - Neurobiologie - Trauma



1 Trauma im Fokus von Psychoanalyse und Neurowissenschaften (S. 3)

Marianne Leuzinger-Bohleber, Gerhard Roth und Anna Buchheim„Immer wieder stürzte ein brennendes Haus ein und überschüttete die Straße mit Licht. Erst jetzt bemerkte der Junge, daß das brausende Geräusch der Flammen alle anderen Geräusche übertönte, ein fachendes, sausendes Geräusch, das selbst den Lärm der zusammenstürzenden Fassaden überdeckt.

Die Flammen zogen sich an den Häuserfronten entlang bis zum Ende der Straße, da war der undurchdringliche Abschluß der Welt, dahinter war nichts mehr.

Die dunklen, rotvioletten Wolken, die Flammenwand, die alles umhüllte, die Menschen, die wie in Zeitlupe vorüberzogen, alle Bewegungen verlangsamt, sich mühsam wie in Trance bewegend, das Ende der Welt war ein apathisches, fast friedliches Bild.

Der Junge hatte das Gefühl, er wäre allein auf der Welt und sähe alles aus einer einsamen Distanz, aus einer anderen Entfernung als bisher, die Menschen und ihre Welt ...

Menschen, die im Strom der Zeit geboren wurden und die in ihm starben, ohne diese Bewegung zu erkennen. Das war das Todesbild, das der Junge nie vergaß, das er sein Leben lang mit sich trug. Solange er lebte, würde er das vor Augen haben" (Forte 1999, S. 467f.).

Wie viele andere Schriftsteller beschreibt Dieter Forte die Auswirkungen einer akuten Extremtraumatisierung mit einer bewundernswerten Präzision. Der Junge wird durch die traumatische Erfahrung aus der Wirklichkeit herausgerissen: In einem dissoziativen Zustand erlebt er die Realität um sich herum nun völlig anders, unwirklich, entrückt, von allen anderen Menschen getrennt, isoliert und einsam.

Er realisiert intuitiv, dass diese Erfahrung einen existenziellen Bruch in seinem Leben darstellt, den er nun immer mit sich tragen wird. Nichts wird mehr sein wie vorher.

Psychoanalytiker wissen aus Behandlungen mit schwer traumatisierten Menschen, dass diese nach solchen Erfahrungen nicht mehr in ihr Leben zurückgefunden haben: Sie sind psychisch „nie ganz da", haben den Boden unter den Füßen dauerhaft verloren, fühlen sich unverbunden mit anderen, nie mehr wirklich als aktives Zentrum ihres eigenen Lebens.

Psychoanalytiker gewinnen ihre Erkenntnisse bekanntlich aus der intensiven Arbeit mit einzelnen Patienten, die sie wegen psychischer oder psychosomatischer Probleme aufsuchen.

Die Einsichten in die unbewussten Determinanten seelischen Leidens erweisen sich oft nicht nur als „heilend" bezüglich der seelischen und körperlichen Symptome, sondern auch als „sinnstiftend" in der Weise, als z.B. die bisher unerkannten Auswirkungen erlittener Traumatisierungen nun als Erinnerungen oder Ermahnungen an die eigene, unverwechselbare Lebensgeschichte erkannt und psychisch integriert werden können.

Wir werden in diesem Band diskutieren, dass diese „narrative", „sinnstiftende", psychotherapeutische Dimension im Umgang mit traumatisierten Patienten durch keine anderen „wissenschaftlichen" Befunde ersetzt werden kann. Allerdings ergeben sich zur wissenschaftlichen Reflexion solcher psychoanalytischen Beobachtungen faszinierende Parallelen zu Befunden neuerer neurowissenschaftlicher Forschungen zum Trauma.

Es ist ein Anliegen dieses Buches, etwas zur wissenschaftlichen Brückenbildung zwischen den beiden Disziplinen beizutragen, indem wir ihre spezifischen Wissenskorpi und darauf basierende Konzeptualisierungen miteinander in Beziehung setzen und Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede klar herausarbeiten.

1.1 Zum Dialog zwischen Psychoanalyse und Neurowissenschaften

Eric Kandel (1999), der international führende Neurobiologe, Psychiater und Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 2000, hat mit seinem Plädoyer für eine Intensivierung des Dialogs zwischen der Psychoanalyse und den Neurowissenschaften großes internationales Aufsehen erregt.

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