Jugendliche als Täter und Opfer von Gewalt
von: Peter Imbusch
VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2010
ISBN: 9783531919966
Sprache: Deutsch
291 Seiten, Download: 5880 KB
Format: PDF, auch als Online-Lesen
Jugendbanden in Zentralamerika- Zur sozialen Konstruktion elner teuflischen Tiitergruppe (S. 213-214)
Sebastian Huhn, Anika Denier und Peter Peetz
1. Einleitung
Über ein Jahrzehnt nach dem Ende des letzten Biirgerkriegs in Zentralamerika verbindet die intemationale Offe ntlichkeit nach wie vor hauptsiichlich Gewalt und Unsicherheit mit der Region. Eines der wichtigsten und promi nentesten Themen sind in diesem Zusammenhang seit einigen Ja hren krimine lle Jugendbanden , vor aHem die so genannten maras, eine spezielle Form von Jugendgangs in EI Salvador, Honduras und Guatemala (Huhn/Oett lerlPeelz 2008a).
Krimi nelle und gewalttatige Jugendliche werden in und au8erhalb der Region als ein Hauptfaktor fur Unsicherheit diskuti ert. Die gesicherten Erkenntnisse iiber die Gangs, ihre GroBenord nung, ihre Organisationsstrukturen oder das von ihnen tatsachlich ausgehende GewaltmaB sind jedoch gering (Huhn/Oettler 2006 ; Huhn/Oettler/Peetz 2oo8a; Bellanger/ Roc ha 2(09). Yemach lassigt wird auch die Analyse der offentlichen Auseina ndersetzung tiber soziale Ursachen, den angemessenen kollektiven Umgang und die gesellsc haftlichen Folgen von Jugendgewalt in Zentralamerika. Thema dieses Beitrages, der auf ein Forschu ngsprojekt zu ..Offentlic hkeiten und Gewalt in Zentralamerika" zuruckgeht, ist die Frage, wer Jugendbanden als Hauptproblem der Inneren Sicherheit oder der gesellschaftlichen Entwicklung wahrnimmt beziehungsweise darstellt. Wir konzentrieren uns dabei auf Costa Rica, El Salvador und Nica ragua.
Ausgehend von der grundsatz lichen Einsicht, dass Wirklichkeit gesellschaftlich konstruiert ist (Berger/Luckmann 1969), gilt es, Jugendgewalt und -kriminalitat auch als gesellschaftlich konstruierte und nicht ausschlieBlich als objektiv vorliegende und eindeutige GroBen zu untersuchen. Ein Einverstandnis über Gewalt und Kriminalitat sowie tiber ihre gese llschaft liche Bewertung und angebrachte GegenmaBnahmen wird haufig zu Unrecht vorausgesetzt. So bleib t unhinterfragt, wer was in welcher Weise und warum als Bedrohung wahmimmt.
Der Diskurs tiber Gewalt und Krimi nalitat ist jedoch häufig entscheide nder dafiir, wie eine Gesellschaft Gewalt und Krimi nalita t empfindet und auf sie reagiert, als ein Gewaltakt selbst. So wurde gewalttatiges Verhalten von Jugendlichen je nach Epoche nicht nur in Zentralamerika unterschiedlich wahrgenommen. Auch die deutsche Offentlichkeit hatte vieles von dem, was sie heute als Jugendgewalt diskutiert, in den 1950er Jahren eher als (argerliches oder zu beliichelndes) Verhalten Halbstarker interpret iert oder wahrend der Studentenproteste in den 1970er Jahren als (legitimer oder iIlegitimer) Protest einer Generation gegen ihre Eltem und Gro6eltem wahrgenommen.