Kritische Erwachsenenbildung - Analysen und Anstöße

Kritische Erwachsenenbildung - Analysen und Anstöße

 

 

 

von: Ludwig A. Pongratz

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2010

ISBN: 9783531925868

Sprache: Deutsch

180 Seiten, Download: 1296 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Kritische Erwachsenenbildung - Analysen und Anstöße



8. Kontrolliert autonom: ein Lagebericht (S. 119-120)

8.1 Freiheits-Rhetorik: Entfesselung, Entgrenzung, Deregulierung

In feucht-fröhlichen Nächten sangen frühere Studentengenerationen manchmal das Lied: ‚Wir verkaufen unsrer Oma ihr klein Häuschen...‘. Damals war von neoliberalen Globalisierungsschüben noch nicht die Rede. Heute allerdings stehen ganz andere Dinge zum Verkauf an: Weiterbildungseinrichtungen, Schulen, Universitäten, sogar ganze Bildungssysteme. Wer es nicht glauben will, klinke sich unter dem Stichwort ,GATS‘ ins Netz ein.

Die Verhandlungen über das ,General Agreement on Trade in Services‘ zielen auf eine weltweite Vermarktung (nicht nur von Post, Strom, Wasser oder Gas, sondern auch) von Wissenschaft, Forschung und Bildung. Das Ganze geschieht ohne nennenswerte öffentliche Auseinandersetzung, ohne Transparenz – aber mit massiven Konsequenzen für die betroffenen Einrichtungen und Menschen. Die nationalen, ,hoheitsstaatlich‘ regulierten Sektoren sollen für international operierende, private Konzerne geöffnet werden. Und nicht nur dies: Sobald einmal die neuen Märkte etabliert sind, sollen sich die öffentliche Hand bzw. Institutionen des Gemeininteresses tunlichst zurückhalten.

Ihr Engagement wäre wettbewerbsverzerrend, führte zu ,ungerechtfertigten‘ Marktvorteilen – kurz: es wäre nicht fair. Mit der Forderung, dass Bildung und Wissenschaft fortan als Waren von Privatanbietern für Privatkunden gehandelt werden, verbinden sich zweifellos Profitinteressen. Alles in dieser Welt hat seinen Preis – also auch die Bildung. Wo liegt das Problem? Das Problem liegt in den Risiken und Nebenwirkungen, die sich mit der Verheißung individualisierter, vielgestaltiger, dynamischer Bildungsmärkte verbinden. Denn die angebliche Befreiung aus staatlicher Gängelung und Bevormundung bedeutet zugleich, Bildungs- und Forschungsprozesse in wachsendem Maß den Interessen kapitalkräftiger Dritter auszuliefern.

Der ungenierte Ruf nach Bildungs-Eliten und Elite-Bildung zieht letztendlich eine fortschreitende Segregation der Bildungslandschaft nach sich. An ihr geht die Freiheits- Rhetorik, mit der uns jede neue Deregulierungsmaßnahme schmackhaft gemacht werden soll, zu Protest. Das neoliberale Pathos der Freiheit unterstellt, alle wüssten, was damit gemeint ist. Mehr noch: wie selbstverständlich wird behauptet, dass ,wo Freiheit drauf steht, auch Freiheit drin ist‘.

Das aber lässt sich mit guten Gründen bezweifeln. Denn wer in die aktuellen Reformmaßnahmen einwilligt, unterwirft sich zugleich einem ganzen Netz neuartiger Kontrollprozeduren. Sie tragen dazu bei, dass die globalen ‚Reformstrategien‘ (mit Hilfe eines immer umfangreicheren Arsenals von ,Reforminstrumenten‘) sich rücksichtsloser denn je bis in die kleinste pädagogische Alltagsszene durchsetzen können. Auf diese Weise verlängert die heraufziehende ,Kontrollgesellschaft‘ ihre Effekte bis in den letzten Winkel des Bildungssystems.

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