Kinderpsychodrama in der Heil- und Sozialpädagogik (Konzepte der Humanwissenschaften) - Grundlagen, Therapie, Förderung

Kinderpsychodrama in der Heil- und Sozialpädagogik (Konzepte der Humanwissenschaften) - Grundlagen, Therapie, Förderung

 

 

 

von: Gabriele Weiss

Klett-Cotta, 2014

ISBN: 9783608200966

Sprache: Deutsch

268 Seiten, Download: 2318 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Kinderpsychodrama in der Heil- und Sozialpädagogik (Konzepte der Humanwissenschaften) - Grundlagen, Therapie, Förderung



Ein Wort im Voraus und ein Dank In der pädagogischen Arbeit haben wir immer wieder mit Kindern zu tun, die eigentlich gezielte Förderung zum Aufbau fehlender Kompetenzen bräuchten, die aber nicht bereit sind, sich auf Übungsangebote oder ein Training einzulassen. Sie brauchen zunächst therapeutische Unterstützung zum Aufbau grundlegender emotionaler Sicherheit und zur Verbesserung ihres kindlichen Selbstbewusstseins, ehe sie, irgendwann, auch bereit sind, sich mit ihren Schwächen auseinanderzusetzen und an ihnen zu arbeiten. Auf der anderen Seite begegnen wir Kindern, bei denen wir aufgrund dessen, was sie uns zeigen, deutliche Entwicklungsverzögerungen vermuten. Erst im Laufe eines langen Prozesses der Entwicklungsförderung zeigen sie uns - oft unvermittelt -, dass hinter ihrer sichtbaren Schwäche eine große Not, vielleicht sogar eine Traumatisierung verborgen liegt (Erat, Weiss 2006). Im folgenden Text werden die Bezeichnungen Pädagogen, Therapeuten, Psychodramagruppen-Leiter fast synonym verwendet, das scheint nicht gerechtfertigt. Gerade in der Heilpädagogik, insbesondere in der klinisch orientierten Heilpädagogik, ist die Einordnung eines begleitenden Prozesses jedoch nicht immer so klar vorzunehmen. Immer wieder sind wir konfrontiert mit Situationen, in denen wir unsere Förderangebote nicht aufrechterhalten können, sondern uns einer pädagogischthe-rapeutischen Herausforderung stellen müssen. Und umgekehrt erleben wir, dass hinter einer Verhaltensauffälligkeit deutliche Schwächen auftauchen und Kompetenzen gezielt angebahnt und weiterentwickelt werden müssen. Dann sind wir aufgefordert, in unserer Arbeitshaltung, in unserer Methodenentscheidung mitzuwechseln, uns einzuschwingen in die aktuellen und akuten Bedürfnisse eines Kindes, seiner Familie und seines Umfeldes. Mit dem Kinderpsychodrama haben wir einen methodischen Ansatz zur Verfügung, mit dem wir Kinder erreichen können: Sie lassen sich emotional berühren, anrühren, anstecken, sie beginnen zu lernen, zu experimentieren, eigene Vorstellungen und Visionen zu entwickeln. Nicht zuletzt bietet diese Art zu arbeiten Professionellen aus pädagogischen und therapeutischen Berufen einen lebendigen Zugang zu Kindern und ihren Themen, aber auch zu den eigenen Ressourcen und Stärken, zur eigenen Kreativität aus der Fülle gelebter Erfahrungen. Nass geschwitzt, erschöpft - Kinderpsychodrama ist keine bequeme Methode, sie erfordert nicht nur die ununterbrochene geistige und psychische Präsenz in Begleitprozessen, sondern sie fordert auch körperliches Engagement, physische Präsenz, die Bereitschaft, mit allen Sinnen und aus ganzem Herzen in die Begegnung mit Kindern zu gehen. Dabei entsteht Nähe, und Nähe bedeutet, dass ein Kind immer auch dem Menschen, dem Mann im Therapeuten, der Frau in der Pädagogin begegnet. So wie jeder - ganz unvermittelt im Spiel - auch sich selbst begegnet, dem eigenen inneren Kind, den eigenen kindlichen Erfahrungen mit Spiel und Spielkameraden, mit Gemeinschaft und Ausgrenzung, mit Abenteuer und Enttäuschung. Manchmal zeigt der Seitenblick, das Lächeln eines Kindes, dass es verstanden hat: Da begegnen sich zwei Menschen im Spiel, die beide ihre Spielerfahrung mitbringen und ihre Spiellust. Wir erreichen Kinder - und sie erreichen uns, berühren uns in ihrem Geworden-Sein, stecken uns an mit ihrer Neugier, ihrer Vorsicht, ihrem Humor, ihrem Lachen, ihrer Enttäuschung und ihrem Zorn. Und erlauben uns, sie zu sehen, wenn wir ihnen erlauben, uns zu sehen. Im ersten Teil des Buches wird ein Versuch unternommen, das Kinderpsychodrama ressourcenorientiert zu verstehen und in einem Feld zwischen Pädagogik - Heilpädagogik und Sozialpädagogik - und Th erapie anzusiedeln. Im zweiten Teil sind viele Erfahrungen in die methodischen Grundlagen eingeflossen aus der Arbeit mit Kindern im Grenzgebiet zwischen Pädagogik und Therapie, zwischen Prävention und Inklusion. Im dritten Teil werden ausgewählte Arbeitsfelder näher beleuchtet, in denen psychodramatische Arbeit mit Kindern stattfindet, in Gruppen oder im Einzelkontakt. Die Arbeit mit den Eltern und Bezugspersonen steht in diesem Buch nicht im Vordergrund. Es gibt genügend lebendige und wertschätzende Beratungsansätze für Eltern und Familien, und es gibt keine psychodramatische Familientherapie - psychodramatische Impulse aber lassen sich überall mit einbauen (Freeman et al. 2000, Weinberg 2005, Nemetschek 2006, White, Epston 2006, Gammer 2007, Bleckwedel 2008). Dieses Buch entstand aus vielen Spielsequenzen mit Kindern in unterschiedlichsten Einrichtungen, mit Studierenden in Seminaren und Supervisionen im Rahmen des Studienangebotes der Heilpädagogik an der Katholischen Fachhochschule Freiburg, mit pädagogisch und therapeutisch tätigen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen von Weiterbildungsangeboten und nicht zuletzt aus den vielen fachlichen Gesprächen und Diskussionen mit engagierten Freunden. Alle namentlich zu erwähnen wäre unmöglich. Deshalb gilt mein erster Dank den Kindern, die mich an ihren Fantasien teilhaben ließen, an ihrem Spaß und ihrem Zorn, ihrer Ungeduld und ihrem manchmal schrägen Humor, aber auch an ihren Fortschritten und ihrem inneren Wachstum. Stellvertretend gilt mein Dank den Kolleginnen und Kollegen, die über lange Zeiträume mit mir heilpädagogisch-therapeutisch gearbeitet und Beobachtungen und Erfahrungen diskutiert haben: Jörg Erat, Martin Jehle, Thorsten Kleiner und Birgit Steiner-Backhausen. Ein besonderer Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen, die ihre Spielfreude und ihre Neugier mit mir geteilt haben und deren Überlegungen und Erfahrungen für einzelne Kapitel mit herangezogen wurden: Carolin Beiser, Maria Cores-Rambaud, Andrea Eicher, Yvonne Eitzenberger, Anna Hupe, Verena Kirchesch, Th orsten Kleiner, Sabine Korn, Felix Kriele, Dorothee Kriner-Skokowitsch, Hilde Mook, Monika Parzinger, Irmgard Rasche, Petra Scharrer, Judith Schell, Magdalena Schell, Stefanie Schellpeper, Kathrin Schrempp, German Widmann, und Joel Zöllin. Trotz Anonymisierung und Verdichtung werden sie ihre Beobachtungen, Erfahrungen und Ergebnisse wiedererkennen. Anfang und Ende sind immer wichtige Phasen in einem solchen Projekt: Den Anstoß gab in unnachahmlich direkter und herausfordernder Weise eine der humorvollsten Kolleginnen, die ich kenne, Susann Köstermenke; ohne die geduldige und liebevolle Unterstützung und Wegbegleitung von Judith Bott und Thorsten Kleiner wäre es sicher nicht zu einem guten Abschluss gekommen. 1. Grundlagen des Kinderpsychodramas 1.1 Alles beginnt mit einer Geschichte Wir müssen zuerst den Himmel bauen Moreno beginnt seine Autobiographie mit der mehr oder weniger fiktiven Geschichte seiner Geburt: »Ich wurde in einer stürmischen Nacht geboren, unterwegs mit einem Schiff auf dem Schwarzen Meer vom Bosporus nach Konstanza in Rumänien [...]. Niemand kannte die Nationalität des Schiffes. War es ein griechisches, türkisches, rumänisches oder spanisches Schiff? Die Anonymität der Nationalität des Schiff es führte zur Anonymität meines Namens und zur Anonymität meiner Staatsbürgerschaft.« (Moreno 1995, S.15) Diese Geschichte könnte genauso gut der Spielentwurf eines kinderpsychodramatischen Gruppentreffens sein. Ebenso seine Erinnerung an seine - wie er sie nannte - erste psychodramatische Sitzung: »An einem Sonntagnachmittag gingen meine Eltern Freunde besuchen. Ich blieb zuhause, um mit einigen Nachbarskindern zu spielen [...]. Beim Versuch, ein Spiel auszudenken, kam ich auf die Idee: ?Laßt uns Gott und seine Engel spielen!? ?Aber wer soll Gott spielen?? ?Ich bin Gott und ihr seid meine Engel?, erwiderte ich. Die anderen Kinder stimmten zu. ?Wir müssen zuerst die Himmel bauen?, erklärte eines der Kinder. Wir schleppten Stühle aus dem ganzen Haus in den Keller, stellten sie auf den großen Tisch und begannen, einen Himmel nach dem anderen zu bauen [...] bis wir die Decke erreichten.« (Moreno 1995, S.21) Als Jakob Moreno in seiner Gottesrolle gefragt wurde, warum er nicht auch fliege, breitete er seine Arme aus und versuchte es. Ein gebrochener Arm war das Ergebnis und eine erste Desillusionierung, wie er dies einmal bezeichnete. Moreno bemühte sich immer, die Bedeutung und den Wert des kindlichen Spiels zu nutzen, die kindliche Erfindungslust und Fantasie, die mit der Illusion von Allmacht eine andere Welt zu schaff en versucht (Widlöcher 1974). Als Jugendlicher beobachtet er Kinder beim Spielen in den Wiener Parkanlagen und organisiert Stegreifspiele mit ihnen. Damit unterstützt er schon früh ihren Drang nach Spontaneität und schöpferischer Freiheit. In seinem Versuch, das Theater der Spontaneität als eine Theaterform zu entwickeln, in der sich freiwillige Darsteller zu gemeinsamem improvisierten Spiel zusammenfinden, greift Moreno auf die Vorstellung dieser kindlichen Kompetenzen zurück. Aus dem spontanen Theater führt der Weg für Moreno wie selbstverständlich zur Entstehung des therapeutischen Theaters. Es bietet dem einzelnen Spieler Gelegenheit, seine eigenen vergangenen oder gegenwärtigen Rollen zu spielen oder auch erdachte Rollen zu übernehmen, die ihm im Alltag nicht möglich sind. Das Psychodrama ist so gesehen ein Spiel mit kathartischer Wirkung, aber es schließt das wirkliche Leben der Akteure ein. Es ist in den Augen Morenos ein Versuch, den Dualismus zwischen Fantasie und Wirklichkeit aufzuheben und die ursprüngliche Einheit beider wiederherzustellen, die im kindlichen Spiel noch vorhanden ist. Trotzdem geht die Entwicklung des Kinderpsychodramas als therapeutische und pädagogische Gruppenmethode über den Weg des Erwachsenenpsychodramas mit seinen Strukturen und therapeutischen Interventionen (Engelke 1981, Zeintlinger-Hochreiter 1996, von Ameln et al. 2009, Fürst et al. 2004). Während in Amerika versucht wurde, das klassische Psychodrama mit kleinen Veränderungen in die therapeutische Arbeit mit Kindern zu übernehmen (Aichinger, Holl 2003), wurde es in Frankreich von Kinderpsychoanalytikern um Lebovici zum analytischen Psychodrama weiterentwickelt (Anzieu 1984). In Deutschland waren es vor allem die Bemühungen von Aichinger und Holl, die das Kinderpsychodrama so veränderten, dass es stärker den Bedürfnissen der Kinder und ihrer impulsiven, bewegungsorientierten Art zu spielen entsprach. Bei den Kindern kann nach Aichinger und Holl noch nicht die Bereitschaft vorausgesetzt werden, sich auf ein Verbalisieren ihrer Fantasien, Wünsche und Gefühle zu beschränken. Gerade jüngere Kinder drücken ihr Innenleben viel eher im Spiel, im Handeln und Dramatisieren aus. (Aichinger, Holl 2003) Im Unterschied zur amerikanischen Tradition, mit Kindern wie mit den Erwachsenen reale Konfl iktsituationen darzustellen, sehen Aichinger, Holl und andere europäische Kinderpsychodramatiker im Symbolspiel das zentrale Medium der Kindertherapie, auch und gerade in der Gruppe. 1.2 Das Spiel des Kindes verstehen Spiel, insbesondere das freie Spiel, ist eine fundamentale experimentelle Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Welt und darauf aufb auend seine wichtigste Ausdrucksform. Im Erlebensraum des Spiels sind alle menschlichen Aktivitäten möglich und damit verbunden auch alle Gefühle: Geborgenheit, Zorn und Trauer, Ungeduld und Langeweile, Stolz und Wohlbefinden. Spiel ermöglicht dem Kind, zwischen allen mögli chen Realitätsebenen zu wechseln, sie für sich neu zu schaff en und sich in diesen Realitäten darzustellen, zu erleben und sich selbst Befriedigung zu verschaffen. Gleichzeitig schafft es sich damit seine eigenen Entwicklungsmöglichkeiten und Herausforderungen: Indem es spielt, macht es gleichzeitig Fortschritte in seinen psychomotorischen, emotionalen, sozialen und kognitiven Kompetenzen (Oerter 1999, Köhn 2002, Weinberger 2007, Renner 2008, Mogel 2008, Flitner 2009). Die Spielkompetenz eines Kindes entwickelt sich im Laufe der ersten Lebensjahre: Spielerische Interaktionen ereignen sich schon zwischen sehr kleinen Kindern und ihren Bezugspersonen, z. B. bei spielerischem Experimentieren, bei kleinen Versteckspielen oder dem Hin- und Herrollen eines Balles. Im Vordergrund steht die Freude am Tun und an den Eff ekten. Im zweiten und dritten Lebensjahr beginnen Kinder im Konstruktionsspiel, sich zielgerichtet mit Gegenständen zu beschäftigen, sie zu verändern und mit ihnen Neues zu gestalten: Türme aus Holzklötzen, Gräben im Sand, Häuser und Fahrzeuge aus Legosteinen. Im Symbolspiel werden einfache Alltagshandlungen imitiert: kochen, essen, Auto fahren. Erwachsene haben hier eine wichtige Hilfs-Ich-Funktion, indem sie das Spiel des Kindes durch ihre sprachliche Begleitung anreichern und ausdifferenzieren helfen. Im Rollenspiel werden die im Symbolspiel entwickelten Kompetenzen ausgeweitet und letztendlich in ein gemeinsames Spiel mit anderen eingebracht. Jetzt gestalten Kinder jene Welten, die für sie bedeutsam sind: Sie spielen Rollen, die sie sich erträumen, sie sind Prinzessin, Astronautin, Fußballspieler, Medienstar; erfinden Kompetenzen, die sie entwickeln wollen, sind die verbissensten Kämpfer, die schnellsten Autorennfahrer, die schlauesten Gangster; sie können Dinge zum Guten wenden und Machtverhältnisse umkehren. Sie sind Rektoren ihrer Schule, Königinnen ihres Landes, Piratenkapitäne oder Chef der Feuerwehr oder der Polizei. Ihre Geschichten spielen auf dem Mars, in einer mittelalterlichen Burg, auf dem Laufsteg oder im Internat von Harry Potter. Spiel ist auch der Weg, über den ein Kind soziale Kompetenzen erwirbt. Indem es in die Rollen anderer schlüpft, versucht es, sie und ihre Motivation zu verstehen, um ihr Verhalten und ihr Interaktionsmuster in sein eigenes Rollenrepertoire aufzunehmen: Eine Mutter umsorgt ihr Baby, ein Mann schimpft mit seinem Hund. Obwohl Kinder wissen, dass ihr Tun ein spielerisches ist, wird es von ihnen als real erlebt, körperlich und emotional. So schaffen sie es, Einfluss auf die sie umgebende Welt zu nehmen, ihr Selbstwertgefühl zu steigern und ihre eigene Identität zu entwickeln. Kinder stellen im Spiel ihre Gefühle, inneren Bilder und Konflikte verdichtet und symbolisch verfremdet dar. Sie experimentieren gleichzeitig mit Bewältigungsmöglichkeiten und mit Lösungen. Damit erschaffen sie sich ihre eigene Welt schöpferisch neu. Im Gegensatz zu Erwachsenen rekonstruieren sie Konfliktsituationen nicht so, dass sie Gefühle von Hilflosigkeit und Trauer erleben müssten, sondern verändern die Wirklichkeit, um sich selbst als lebendig, mutig, kompetent und machtvoll erleben zu können. Ihre Spielinszenierungen haben Wunsch- und Bedürfniserfüllung zum Ziel. Kinder spielen so, wie es ihnen am besten gefällt, nicht wie es der erlebten Wirklichkeit entspricht. Den begleitenden Pädagogen oder Therapeuten bleibt die Aufgabe, die einmalige Bedeutsamkeit des jeweiligen Spiels zu erfassen und zu verstehen. In der therapeutischen Situation inszeniert jedes Kind sein Spiel so, dass die grundlegenden Lebensthemen, die entscheidenden Elemente aus dem biografischen Weg im Spiel auftauchen. Durch Umgestaltungen und Verdichtungen schafft es sich aber häufi g einen Schutzraum, der es ihm ermöglicht, sich die Situation von außen anzuschauen, sich davon zu distanzieren oder eine positive Lösungsfantasie zu entwickeln. Gleichzeitig reagieren die anderen Kinder mit hoher Sensibilität auf die Themen, die die einzelnen Kinder in die Gruppe mitbringen. Entwicklungspsychologisch gesehen haben Kinder ähnlichen Alters ähnliche Entwicklungsherausforderungen zu bewältigen, häufig sind sie mit ähnlichen Themen und Konfl ikten konfrontiert: mit Kompetenz und Behinderung, mit Leistung und Leistungsversagen, mit Solidarität, Konkurrenz und Feindschaft in der Gruppe der Gleichaltrigen, mit Scheidung und neuen Familienkonstellationen, mit physischer oder psychischer Erkrankung in der Familie, mit Schmerz und Gewalt, mit Armut und der Konfrontation mit Ämtern. Aus diesen Erfahrungen heraus gelingt es ihnen, die große Herausforderung zu meistern, sich auf gemeinsame Spielentwürfe einzulassen und Geschichten so zu inszenieren, dass sie für jeden Einzelnen Raum für seine Rollenentwürfe bieten. Gleichzeitig müssen sie ihr Augenmerk auf alle Formen kindlicher Kommunikation richten, Spielhandlungen in ihrem Bedeutungsgehalt verstehen lernen und im Spiel darauf reagieren und antworten. Sie müssen die Kommunikation untereinander so fein abstimmen, dass aus den einzelnen Rollen ein dramatisches Beziehungs und Interaktionsgeflecht entstehen kann. So erleben sie, dass auf symbolischem Weg nicht nur die regressiven und progressiven Bedürfnisse der einzelnen Kinder befriedigt, sondern auch die Beziehungen untereinander gefestigt werden, so dass die Gruppe als solche sich weiterentwickeln kann. Die Chance in der Gruppe besteht darin, dass nicht nur die Erwachsenen, Pädagogen oder Therapeuten, zum Begegnungs- und Beziehungspartner und zum Hilfs-Ich werden für ein Kind, sondern auch die Gruppe als solche eine stützende, sozialisierende und konfrontierende Funktion entwickeln kann. So wird die Psychodramagruppe nicht nur zum Ort, an dem Familien- und Entwicklungsthemen reinszeniert werden, sondern sie ist auch soziale Realität, in der sich soziale Kompetenz entwickelt und bewähren muss (Aichinger, Holl 2003).

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