Das politische System der EU

Das politische System der EU

 

 

 

von: Ingeborg Tömmel

De Gruyter Oldenbourg, 2007

ISBN: 9783486711264

Sprache: Deutsch

325 Seiten, Download: 1997 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Das politische System der EU



7 Das EU-System in seiner Gesamtheit (S. 238-239)

In diesem abschließenden Kapitel sollen die Fäden der vorangegangenen Analyse zu einem Gesamtstrang gebündelt werden, das heißt, das EU-System soll einer zusammenfassenden Betrachtung und theoretischen Erörterung unterzogen werden. Zwei Fragen stehen dabei im Vordergrund: Zum einen, wie erklärt sich die Dynamik der Entfaltung des EU-Systems? Zum Zweiten, wie ist das EU-System in seiner Gesamtheit zu charakterisieren? Diese beiden Fragen haben die Debatte um die europäische Integration seit ihren Anfängen in den 50er Jahren bestimmt (Haas 1958, Lindberg/Scheingold 1970, Pentland 1973).

Anders allerdings als seinerzeit sollen sie hier in umgekehrter Reihenfolge geklärt werden. Es geht also zunächst darum, die charakteristischen Merkmale des EU-Systems zu erfassen, in einem zweiten Schritt sollen dann die Triebfedern der Entfaltung des Systems herausgearbeitet werden. Die Umkehr der Reihenfolge bietet sich nicht nur an, weil die EU inzwischen voll auskristallisiert ist, es somit nicht mehr primär wie zu Haas' Zeiten um ihre Entwicklungsdynamik geht, sondern auch, weil so vom eher deskriptiven zum stärker theoretisch argumentierenden Teil übergegangen wird. Den Abschluss des Kapitels bildet ein Ausblick, in dem die Zukunftsperspektiven der EU angesichts wachsender externer Herausforderungen und andauernder interner Funktionsprobleme beleuchtet werden sollen.

7.1 Struktur und Funktionsweise der EU: Verhandlungs-, Verflechtungs- und Mehrebenensystem

Die wissenschaftliche Debatte um die EU kreiste lange Zeit um die Frage, ob diese eher einem nationalen Staat oder einer internationalen Organisation vergleichbar sei. Auch wenn diese Debatte bis heute nicht abgeschlossen ist, hat sich parallel dazu die Sichtweise etabliert, dass die EU ein System „sui generis", also ganz eigener Art sei (vgl. beispielsweise Jachtenfuchs 1997). Zusammen mit dieser Feststellung werden inhaltliche Charakterisierungen vorgenommen wie Verhandlungssystem (Scharpf 1985, Benz 2000, 2001, Beck/Grande 2004), Mehrebenensystem (Scharpf 1993, 1997, Jachtenfuchs/Kohler-Koch 1996b, 2003, Benz 2000, 2004a, Grande 2000) oder System der „multi-level governance" (Marks et al. 1996a, Hooghe/Marks 2001) sowie der „network-governance" (Kohler-Koch 1999).

Im Folgenden soll die EU entsprechend ihrer Funktionsweise in erster Linie als ein Verhandlungssystem charakterisiert werden, das aber aufgrund seiner strukturellen Grundlagen – der vielfachen Verschränkung von nationaler und europäischer Ebene – zugleich auch als Verflechtungssystem zu werten ist (Benz et al. 1992, Benz 2003). Darüber hinaus ist die EU aufgrund der ausgeprägten Beziehungen zwischen europäischer, nationaler und – zunehmend – regionaler Ebene, insbesondere im Prozess der Politikimplementation, auch als Mehrebenensystem zu bezeichnen. Im Folgenden sollen daher diese drei Systembegriffe in ihrer Aussagekraft zur Charakterisierung der EU überprüft werden, abschließend ist dann die Frage zu klären, ob die EU eher als ein System „sui generis" oder als ein den nationalen Staaten beziehungsweise den internationalen Organisationen vergleichbares System zu werten ist.

7.1.1 Die EU als Verhandlungssystem

Verhandlungssysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass politische Entscheidungen nicht nach dem majoritären Prinzip, sondern eben als Verhandlungslösungen gefällt werden. Dies bietet gegenüber majoritären Entscheidungen den Vorteil, dass selbst bei Unterstellung nutzenmaximierender Akteure dennoch gemeinwohlorientierte Entscheidungen getroffen werden können (Scharpf 1992a). Allerdings sind Verhandlungsentscheidungen auch von einem Dilemma gekennzeichnet: Auf der einen Seite erfordern sie „Kreativität, Teamarbeit, vertrauensvollen Informationsaustausch, kurz, einen auf `Problemlösung´ gerichteten Verhaltensstil (...)

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