Ästhetik - Philosophische Grundlagen und Schlüsselbegriffe

Ästhetik - Philosophische Grundlagen und Schlüsselbegriffe

 

 

 

von: Gerhard Schweppenhäuser

Campus Verlag, 2007

ISBN: 9783593383477

Sprache: Deutsch

333 Seiten, Download: 5011 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Ästhetik - Philosophische Grundlagen und Schlüsselbegriffe



4. Kommunikation und Bedürfnis (S. 41)

Ästhetische Erfahrung als Bedürfnisartikulation – Damit man die Bedeutung ästhetischer Erfahrung noch besser versteht, muss die semiotische Analyse durch die Beschreibung einer ganz spezifisch ästhetischen Leistung ergänzt werden. Ich folge dabei der Analyse von Franz Koppe (Jg. 1931), der als Philosophieprofessor an der Berliner Universität der Künste gelehrt hat. Die ästhetische Differenz einer Mitteilung (jedweder Art) besteht Koppe zufolge darin, dass die Inhalt-Form-Gestaltung der ästhetisch artikulierten Mitteilung auf die Bedürfnisebene der Rezipienten bezogen ist.

Was soll das heißen? Kurz gesagt: Ästhetische Verfahren zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie Gefühle bewirken, sondern dadurch, dass sie Bedürfnisse artikulieren (Koppe 2004: 132). In ästhetischer Erfahrung erfahren wir etwas über unsere eigenen Bedürfnisse. Ästhetische Wirkungen hängen stets damit zusammen, dass wir ihre Auslöser in Beziehung zu unseren Bedürfnissen bringen.

Für Kunstwerke und ästhetisch gestaltete Artefakte heißt das: Wir empfinden sie immer dann als schön, wenn sie Bedürfnisse, die für uns relevant sind, als befriedigte Bedürfnisse vergegenwärtigen (ebd.: 165). Diese Seite, die Erfüllungsartikulation, hat George Herbert Mead übrigens so beschrieben:

»Wenn wir Werke großer Künstler ästhetisch wahrnehmen, ziehen wir daraus Genusswerte, die unsere eigenen Lebens- und Handlungsinteressen erfüllen und interpretieren. Kunstwerke haben dauerhaften Wert, denn sie sind die Sprache der Freude, in welcher die Menschen den Sinn ihrer eigenen Existenz ausdrücken können.« (Mead 1926: 349)

Vergegenwärtigung durch Formgebung – Doch es gibt nicht nur die Erfüllungsartikulation, sondern auch die Artikulation der Abwesenheit dessen, worauf unsere Bedürfnisse gerichtet sind. Ästhetische Erfahrung ist Vergegenwärtigung von Bedürfnissen, die im Bereich der Sinne, der Leibwahrnehmung, der Kommunikation sowie der Suche nach Bedeutung und Sinn angesiedelt sind – und zwar Vergegenwärtigung, die durch Formgebung ermöglicht wird.

Ästhetische Erfahrung macht Bedürfnisse im Modus der Befriedigung oder der Frustration präsent. In jedem Fall handelt es sich um Bedürfnisse, die den Rezipienten in seinem eigenen, personalen Sein angehen und seine innere Natur betreffen.

Leib, Natur und Aisthesis – Koppe beruft sich in seiner Bedürfnistheorie der Ästhetik auf die Kommunikationstheorie von Habermas, und die wiederum ist maßgeblich von George Herbert Meads Theorie des symbolischen Interaktionismus beeinflusst. Habermas hat in den 1970er Jahren davon gesprochen, dass Kunstwerke »archaische, unbewusste semantische Potentiale aus vorsprachlichen Symbolstrukturen herausbrechen und überhaupt sprachfähig« machen würden (Habermas, zit. nach Kreft 1982: 150).

Soll heißen, dass wir zu unseren vorbewussten und abgedrängten Bedürfnissen, insbesondere zu solchen, die aus der menschlichen Triebnatur hervorgehen, über ästhetische Erfahrung einen privilegierten Zugang finden können. »Ästhetische Kommunikation und Produktion«, schreibt der Hamburger Literaturdidaktiker Jürgen Kreft im Anschluss an Habermas, hat viel mit den »Wahrnehmungen unserer leiblichen Zustände und Befindlichkeiten« zu tun.

Ästhetische Kommunikation und Produktion dürfen als »Paradigma für die aisthesis« gelten, also als Paradigma für die Sinneswahrnehmung, in welcher die »ästhetische Kommunikation ihre sinnliche (sensitive) Basis hat« (Kreft 1982: 148). Unser Leib vermittelt »zwischen innerer und äußerer Natur«, er hat an beiden teil, »deren Wahrnehmung in Kunst und Dichtung artikuliert werden« (ebd.).

Nun muss man noch den Bereich der angewandten Künste hinzunehmen, also Architektur und Design.

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