Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung

Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung

 

 

 

von: Harlich H. Stavemann

Beltz PVU, 2007

ISBN: 9783621275989

Sprache: Deutsch

368 Seiten, Download: 12017 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Sokratische Gesprächsführung in Therapie und Beratung



Die Beantwortung der „Darf ich das?"- Frage: Normative sokratische Gesprächsführung bei moralischen Konflikten (S. 200)

In normativen Sokratischen Dialogen werden Normenkonflikte behandelt. Dabei werden die für und gegen eine Handlung oder Einstellung angeführten Normen gesammelt und auf ihre Entscheidungsrelevanz geprüft. Anschließend werden die relevanten Normen gewichtet und gegeneinander abgewogen, um zu einer Entscheidung zu gelangen.

Scheinbar moralische Konflikte. Häufig formulieren Patienten Fragen, die zwar auf den ersten Blick eine normative Untersuchung fordern, bei denen es sich jedoch um verkappte Fragen zum Selbstwert handelt, so dass sie demzufolge einen explikativen Dialog erfordern („Was ist ein wertvoller Mensch?"). Derartige nur scheinbar moralische Themen können sich beispielsweise hinter folgenden Fragen verbergen: „Muss ich meine Eltern lieben?", „Darf ich Fehler machen?" oder „Darf man stehlen?".

Um zu prüfen, ob es sich bei der vorliegenden Fragestellung tatsächlich um eine moralische handelt, wird der Therapeut zunächst erfragen, ob verschiedene Normen des Patienten in Konflikt geraten sind oder ob er sich um den Verlust seines Wertes sorgt, wenn er die untersuchte Norm nicht erfüllen würde.

Verwobenheit normativer und funktionaler Aspekte. Es gibt Themen, die ausschließlich von normativen Gesichtspunkten geprägt sind. Häufig ist die normative Betrachtung jedoch eng mit der funktionalen verknüpft, und die Beantwortung der untersuchten Fragestellung (z.B. „Darf ich den Pflegewunsch meiner Mutter ablehnen?" oder „Treibe ich dieses Kind ab oder nicht?") erfordert sowohl die Beantwortung der „Darf ich das?"- als auch die der „Soll ich das?"-Frage, denn hier werden sowohl normative als auch funktionale Aspekte abzuwägen sein.

In der Regel – aber nicht notwendigerweise – gewichten Menschen moralische Instanzen höher als pragmatische Gesichtspunkte. In solchen Fällen wird man zunächst einen normativen Dialog führen, um die generelle „Erlaubnis" zu prüfen. Erst wenn diese vorliegt (z.B. „Ja, ich darf dieses Kind abtreiben"), geht man zur funktionalen Betrachtung über („Will ich dieses Kind jetzt abtreiben?"). Letztere erübrigt sich meist, wenn die normative Betrachtung negativ ausfällt.

In einigen Fällen sind die Betroffenen jedoch nicht bereit, die Kosten für ihre moralischen Ansichten zu tragen und entscheiden sich dann, lieber ihr moralisches Normensystem zu ändern. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn der Patient folgende Frage verneint: „Sind Sie bereit, die notwendigen (Alltags-)Konsequenzen Ihrer moralischen Ansichten zu (er)tragen?" Zunächst sollte der Therapeut prüfen, ob eine echte normative Fragestellung vorliegt und ob sie ggf. mit einer funktionalen verwoben ist. Ist Letzteres der Fall, wird aus Zeitgründen mit der Fragestellung begonnen, die der Patient als gewichtiger ansieht.

Erst wenn diese positiv beantwortet wird („Ich darf das" oder „Ich will das"), wird anschließend auch der zweiten Fragestellung nachgegangen. Betrachten wir nun einige Beispiele für die normative sokratische Gesprächsführung und prüfen mit deren Hilfe, ob eine Handlungsweise, Einstellung oder Reaktion vor dem Hintergrund des jeweiligen ethisch-moralischen Normensystems „erlaubt" ist oder nicht. Die ersten beiden Beispiele werden hier positiv – im Sinne einer Bejahung der Ausgangsfrage – beantwortet und in Kapitel 9 erneut aufgegriffen, um zu klären, ob die zugestandene Möglichkeit auch funktional im Hinblick auf die jeweiligen Lebensziele ist und umgesetzt werden soll.

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