Die Bibel und ihre Auslegung

Die Bibel und ihre Auslegung

 

 

 

von: Christoph Dohmen

C.H.Beck, 2003

ISBN: 9783406432996

Sprache: Deutsch

119 Seiten, Download: 390 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Die Bibel und ihre Auslegung



III. Formen der Bibelauslegung (S.43-44)

Wenn in diesem Kapitel nun Formen der Bibelauslegung vorgestellt werden, dann ist dies zum einen und zuerst eine historische Betrachtung in dem Sinne, daß vorgestellt werden soll, wie die Bibel bzw. biblische Texte im Laufe der Geschichte ausgelegt wurden. Zum anderen wird dieser geschichtliche Rückblick im folgenden dann aber gleichzeitig ein wenig systematisiert, um auf diese Weise bestimmte – immer wiederkehrende – Implikationen und Konsequenzen der einen oder anderen Art der Bibelauslegung besser verstehen und kennenzulernen.

Diese Darstellungsart führt dazu, daß nicht alle wichtigen Punkte der Geschichte der Bibelauslegung in den Blick kommen, was aufgrund des begrenzten Raumes auch gar nicht möglich ist und an anderer Stelle bereits vorliegt (s. Reventlow), und daß manch anderes nur angedeutet bleibt, mal mit einem Schwerpunkt im Historischen, mal mit einem Schwerpunkt im Systematischen. Gleichwohl ist mit diesem Vorgehen darauf abgezielt, in der Gesamtheit der Darstellung eine Skizze vorzulegen, die die Konstanten und Variablen der vorhandenen Bibelauslegungen von mehr als zwei Jahrtausenden sichtbar werden läßt.

1. Die vielen Sinne des einen Textes

Der Ausgangspunkt für die Auslegung der Bibel ist aufgrund des weiter oben Dargelegten nicht einfach festzulegen, weil die Besonderheiten der Traditionsliteratur (s. I. 1.) zu berücksichtigen sind. Im Kontext von Traditionsliteratur findet aktualisierende Auslegung immer schon statt, so daß die Anfänge der Auslegung nur in den Texten selbst wiederzufinden sind. Diese Form der innerbiblischen Auslegung ist nicht auf die christliche Perspektive zu beschränken, die die Auslegung des Alten Testaments im Neuen kennt, sondern sie vollzieht sich vor allen Dingen an den Stufen der Kanonisierung der Hebräischen Bibel entlang (s. o. I. 2.).

Diese Anfänge der Aus legung, die sich dort zeigen, wo Texte fortgeschrieben werden, geschieht im Sinne einer produktiven Rezeption. Solche Rezeptionen verlassen im Zuge der Herausbildung des Kanons schließlich den engen Rahmen der biblischen Texte und finden sich dann im Frühjudentum gleicherweise wie im Frühchristentum in der Form von verarbeiteten Einzelstoffen bis hin zur Neugestaltung großer Textkomplexe. Daß das Ziel solcher Auslegung darin besteht, Interessen und Anliegen einer bestimmten Gruppe nach innen zu begründen und nach außen darzustellen, zeigt das Beispiel der unter den Qumranschriften gefundenen Tempelrolle.

Diese sogenannte Tempelrolle enthält neben einer Reihe von hochinteressanten literarischen und theologischen Besonderheiten eine Art Neufassung der Tora im engen Anschluß an das biblische Buch Deuteronomium. Man hat deshalb bei dieser Rolle auch schon von einem „6. Buch des Pentateuch (der Tora)" oder auch einem „neuen Gesetz" gesprochen. Dies bedeutet natürlich nicht, daß in dieser Zeit eine Neufassung der Tora im Judentum nötig gewesen wäre bzw. angestrebt wurde; vielmehr ist es eine bestimmte Gruppe innerhalb des Judentums, die ihr Selbstverständnis und ihre theologischen Vorstellungen dadurch deutlich zum Ausdruck bringt, daß sie eine solche Neufassung der Tora vorlegt, die man unter literaturgeschichtlichem Gesichtspunkt durchaus in die Kategorie einer produktiven Rezeption des Buches Deuteronomium einordnen kann.

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