Gerechtigkeit - Eine philosophische Einführung

Gerechtigkeit - Eine philosophische Einführung

 

 

 

von: Otfried Höffe

C.H.Beck, 2001

ISBN: 9783406447686

Sprache: Deutsch

128 Seiten, Download: 5469 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

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Gerechtigkeit - Eine philosophische Einführung



VII. Justiz (S. 53-54)

1. Gerechtigkeitsprinzipien der Justiz
In der Bezeichnung des Gerichtswesens als „Justiz“ klingt noch die geschichtlich primäre und bis heute unverzichtbare Aufgabe der Gerechtigkeit an: Jemandem Gerechtigkeit widerfahren lassen heißt im Zivilrecht, ihm zu seinem Recht zu verhelfen, also über Ansprüche und korrespondierende Verpflichtungen zu entscheiden, und im Strafrecht einerseits, nur Schuldige zu bestrafen, Unschuldige aber freizusprechen, und andererseits, die Strafe nach der Schwere des Verschuldens festzulegen. In beiden Fällen soll Objektivität herrschen, damit das böse Sprichwort widerlegt wird: „Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand.“ Statt dessen soll die Justiz das für alle leisten, was der „König der Gerechtigkeit“, Hammurapi, den Schwachen, Witwen und Waisen verspricht: Die Richterschaft soll sich als das beseelte Recht verstehen und unterschiedslos jedem zu seinem Recht verhelfen.

Das Gerichtswesen ist eine Gerechtigkeits-Innovation von wahrhaft weltgeschichtlichem Rang. Wie es Aischylos in der Orestie beispielhaft zeigt, überwindet es die doppelte Privat- „Justiz“, die private Meinung über das Recht und seine private Durchsetzung, samt deren unvermeidlicher Folge, dem Flächenbrand der Gewalt. Zu diesem Zweck müssen allerdings beide Grundformen der Gerechtigkeit zusammenkommen. Die politische Gerechtigkeit eines Gemeinwesens setzt das Gerichtswesen ein – als Überwindung der Privatjustiz heißt es genauer die öffentliche Justiz oder die öffentliche Gerechtigkeit; und die personale Gerechtigkeit der Richter sorgt für unparteiische Urteile.

Der Unparteilichkeit dienen die bei der unvollkommenen Verfahrensgerechtigkeit genannten Grundsätze. Das Verbot, Richter in eigener Sache zu sein, und andere „primäre Regeln richterlicher Unparteilichkeit“ sollen dem zur Wirklichkeit verhelfen, was das Sprichwort „fiat iustitia et pereat mundus“ („Es herrsche Gerechtigkeit, auch wenn die Welt zugrunde geht“) ursprünglich meint. Es bedeutet nämlich nicht jenen Fanatismus, der um der Gerechtigkeit willen selbst einen Weltuntergang in Kauf nimmt. (Martin Luther übersetzt in seiner Predigt vom 10. Mai 1535: „Es geschehe, was recht ist, und solt die welt drob vergehen.“) Das für Papst Hadrian VI. (1459–1523, Krönung 1522) erstmals bezeugte Wort besagt, daß auch die „Welt“ im Sinne der „Großen und Mächtigen“ dem Arm der Justiz nicht entzogen sein darf. Kant verdeutscht daher richtig: „Es herrsche Gerechtigkeit, die Schelme in der Welt mögen auch insgesamt daran zugrunde gehen“ (Zum ewigen Frieden, Anhang I).

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