Angewandte Ethik

Angewandte Ethik

 

 

 

von: Annemarie Pieper; Urs Thurnherr (Hrsg.)

C.H.Beck, 1998

ISBN: 9783406420610

Sprache: Deutsch

401 Seiten, Download: 1647 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Angewandte Ethik



3. Gesellschaft (S. 134-135)

Günter Ellscheid: Rechtsethik

Unter Rechtsethik soll die Theorie der ethischen Bedeutung modernen positiven Rechts verstanden werden. Das bedarf der Erläuterung.

Daß Recht zum ethischen Problem werden kann, mag als selbstverständlich erscheinen. Man erinnert sich sofort an Fälle moralisch motivierten Widerstands gegen die Durchsetzung positivrechtlicher Normen. Trotzdem hat das Fragwürdigwerden von Recht spezifische Voraussetzungen, die bewußt gemacht werden müssen.

Die erste ist, daß Recht als Menschenwerk begriffen werden muß, bevor es in die Reichweite ethischer Kritik gelangen kann. Steht es etwa noch im Bannkreis der Heiligkeit oder fraglos geglaubter göttlicher Autorität, so ist Kritik nicht oder nur als rationale Durchdringung feststehender Dogmen möglich (Habermas 1994, 39 ff.). Als Menschenwerk unterliegt es dagegen wie alles menschliche Tun der ethischen Beurteilung; es kann inhaltlich, aber auch wegen seines Geltungsmodus (Zwang), kritisiert oder gerechtfertigt und es können Forderungen auf Einführung, Änderung oder Abschaffung von Rechtsnormen erhoben und mit Argumenten begründet werden (Ellscheid 1988, 252 f.; ders. 1994, 179 f.). Dabei spielen ethische Gesichtspunkte eine wichtige – je nach Bestimmung der Reichweite ethischer Argumentationen sogar eine entscheidende – Rolle.

Ist einmal bewußt und akzeptabel geworden, daß Verhaltensnormen mit Überlegung gesetzt und durch (die Androhung von) Sanktionen mit Durchsetzungskraft versehen werden können, so wird es möglich, gewachsene soziale Normen und Autoritäten durch Rechtsnormen und deren Vollzug zu ersetzen. Damit steht positives Recht, soll es nicht jeder Legitimation entbehren, in unmittelbarem Bezug zur Idee einer nicht einschränkbaren Rationalität als seiner einzig noch denkbaren Rechtfertigungs- und Kritikinstanz (Ellscheid 1994, 189– 193; Habermas 1994, 56 f.).

Daraus wird deutlich, um welche Art von Ethik es sich nur handeln kann, wenn unter dem Titel „Rechtsethik“ die ethische Relevanz positiven Rechts erörtert wird: 1. „Ethik“ als Lehre vom richtigen Verhalten und der Wahl der dazu gehörenden Einstellungen und Motivationen wird verstanden als das rationale Bemühen um die Begründung von nicht nur hypothetisch gültigen Imperativen, Freiheiten und Rechten.

Eine ausschließlich deontologische Ethikkonzeption ist damit nicht verbunden. Werttheorien können für Ethik relevant sein, soweit sie Argumente für die Annahme von Verhaltensnormen und Einstellungen liefern. Die Geltung von auf rationalem Wege gefundenen Verhaltensnormen soll in nichts anderem als einer sich der Einsicht aufdrängenden Verpflichtungskraft bestehen. Diese darzulegen ist genauso das Ziel utilitaristischer oder sonst konsequentialistischer Argumentationen wie deontologischer – d. h. von der Gesamtbilanz der Handlungsfolgen irgendwie abgekoppelter – Begründung von Handlungspflichten und -rechten. Der auf Einsicht zielende Ansatz schließt indessen nicht aus, daß die Tatsache einer autoritativen Geltungsanordnung mitkonstitutiv für die Geltung in jenem Sinne sein kann, dann nämlich, wenn die Geltungsanordnung sich im Rahmen einer anderweitig rational-normativ ausgewiesenen Kompetenz hält. Davon wird in bezug auf positives Recht noch ausführlich die Rede sein.

Kategorien

Service

Info/Kontakt

  Info
Hier gelangen Sie wieder zum Online-Auftritt Ihrer Bibliothek