Skills-Training bei Borderline- und posttraumatischer Belastungsstörung

Skills-Training bei Borderline- und posttraumatischer Belastungsstörung

 

 

 

von: Alice Sendera, Martina Sendera

Springer-Verlag, 2006

ISBN: 9783211308721

Sprache: Deutsch

220 Seiten, Download: 1994 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Skills-Training bei Borderline- und posttraumatischer Belastungsstörung



5. Kognition, Emotion, Gedächtnis und Wahrnehmung (S. 43-45)

5.1. Kognition und Emotion
Seit Aristoteles gibt es Diskussionen, dass Kognition und Emotion in ihrer Interaktion verstanden werden müssen. Im historischen Rückblick muss man sagen, dass lange Zeit die Kognition den Gefühlen übergeordnet wurde – von der vernunftbetonten griechischen Philosophie bis zur christliche Dogmatik, in der Gefühle und Triebe als Sünde und Schwäche interpretiert wurden.

Piaget beschreibt in seiner Entwicklungspsychologie die geistige und emotionale Entwicklung eines Kindes als interdependente Prozesse, die parallel ablaufen. Inwieweit Kognitionen Emotionen hervorrufen oder nur dazu dienen, Emotionen zu benennen, ist Gegenstand der Forschung. Aufgrund der menschlichen Fertigkeiten durch Sprache Emotionen auszudrücken, werden diese auf Kognitionen reduziert. Selbst die Beschreibung von Affekten unterliegt der kognitiven Bewertung, die Miteinbeziehung von physiologischen Erregungen und Handlungsimpulsen bietet nur einen Umweg im Erkennen von Gefühlen: Vor Angst zittern, weglaufen, aus Scham rot werden, sich verstecken oder aus Schuld etwas wieder gut machen wollen.

Die Zuordnung von Emotionen aufgrund der Wahrnehmung von Erregungszuständen oder aufgrund von Handlungen bringt jedoch die Gefahr der Fehlattribuierung mit sich. Es ist möglich, dass Situationen mit unterschiedlicher Bedeutung zu ein und derselben Reaktion führen. Die Pulsfrequenz ist nach einer sportlichen Aktivität ebenso erhöht wie bei Angstreaktion, ebenso können Menschen aus Trauer, Wut, Freude oder Mitleid weinen.

Die Wahrnehmung von Menschen in einer Notsituation löst eine physiologische Erregung aus und initiiert hilfreiches Verhalten. Eine Hilfeleistung kann aufgrund kognitiver Bewertungen oder spontan ohne Überlegungen über die Angemessenheit des Eingreifens erfolgen. „Es ist jedoch unmöglich, die affektiven und kognitiven Variablen, die bei solchen impulsiven altruistischen Handlungen intervenieren, wissenschaftlich exakt zu untersuchen64". Diese Annahmen werden durch die Neurowissenschaften heute immer mehr bestätigt. Demnach gibt es keine kognitiven Zustände ohne emotionale Faktoren, da alle kognitiv-sensorischen INPUTS im Gehirn affektiv gefärbt werden. Gute Laune, Traurigkeit, Verzweiflung, Freude, Depression, Angst, Mut, Gelassenheit – all diese Zustände sind Teil unseres Lebens und bestimmen unsere Handlungen und zum Teil auch unseren Charakter.

In Versuchen der modernen Gehirnforschung gelingt es heute, Teile der Hirnrinde vorübergehend abzuschalten, indem die normale Aktivität durch ein magnetisches Wechselfeld lokal unterbrochen wird. So können Folgen von Gehirnläsionen bei gesunden Versuchspersonen simuliert und erforscht werden65. Ziel der Forschung ist es, herauszufinden, ob und wie emotionale Erregungen Gehirnareale dominieren und steuern66. Es wird angenommen, dass wir über eine emotionale Landkarte oder ein System emotionaler Konstrukte verfügen und Wahrnehmungen so verarbeitet werden können, dass als bewusstes Erleben ein Gefühl resultiert.

5.2. Emotionsforschung
Die Emotionsforschung der letzten Jahre bezieht sich immer mehr auf die Bedeutung von Emotionen im Erleben und Verhalten eines Menschen. Kognition und Emotion sind nicht nur durch die Verknüpfung des limbischen Systems, der präfrontalen Kortexabschnitte und anderer Gehirnareale belegt, sondern es bestehen auch Verbindungen zum peripheren Nervensystem mit allen seinen biochemischen und neuronalen Vorgängen. Der amerikanische Neurologe Rodolfo Llinas von der Universität New York sieht das Bewusstsein in einer Interaktion zwischen Thalamus und Kortex, auch Gerhard Roth spricht vom thalamo- kortikalen System. Kürzlich wurde ein alle thalamischen Kerne durchziehendes System von so genannten Matrixzellen entdeckt. Diese zielen mit ihren Ausläufern großflächig in die oberen Schichten des Kortex. Ebenso wie die intralaminären Kerne können die Matrixzellen den allgemeinen Aktivitäts- und Bewusstseinszustand des Kortex regulieren. Kurz gesagt, „Bewusstsein entsteht dort, wo sich korti kales und limbisches System und damit Wahrnehmungen, Kognition und Gefühle durchdringen und zur Grundlage unseres Handelns werden".

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