Feindbilder

Feindbilder

 

 

 

von: Haim Omer, Nahi Alon, Arist von Schlippe

Vandenhoeck & Ruprecht, 2006

ISBN: 9783525491003

Sprache: Deutsch

232 Seiten, Download: 1832 KB

 
Format:  PDF, auch als Online-Lesen

geeignet für: Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen PC, MAC, Laptop


 

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Feindbilder



Das Modifizieren dämonischer Bewertungen ( S. 101)

In Fortsetzung des vorhergehenden Kapitels sollen hier weitere Möglichkeiten diskutiert werden, wie entdämonisierende Dialoge geführt werden können und welche Hilfsmittel für die Gesprächsführung zur Verfügung stehen.

Die Einschätzung des Problems

Oft ist das, was Menschen dazu bewegt, für sich Rat zu suchen, gar nicht so sehr das objektive Problem selbst, sondern die negative Bedeutung, die sie ihm zuschreiben. Je schlimmer die zugeschriebene Bedeutung ist, umso tiefgründiger, wird vermutet, ist der Zustand hinter dem Problem. Es wurden zum Beispiel mehrere Menschen mit ähnlichen Beschwerden behandelt. Drei Frauen litten an unkontrollierbarem Weinen.

Die erste betrachtete ihr Weinen als eine natürliche Reaktion auf den Tod ihrer Mutter, war aber durch die Tatsache beunruhigt, dass das Weinen in peinlichen Situationen auftrat. Die zweite sah ihr Weinen als ein beunruhigendes Zeichen dafür an, dass sie die Kontrolle über sich selbst verlor. Für die dritte war ihr Weinen ein Beweis für die unheilbare Grausamkeit ihres Mannes.

Die Beschwerde an sich war bei allen Fällen gleich, aber die ihnen zugeschriebenen negativen Bedeutungen waren gänzlich verschieden. Während im ersten Fall das Weinen als Problem der Umstände angesehen wurde, wurde es bei den letzen beiden Fällen als Zeichen eines negativen Prozesses gedeutet. Ein entdämonisierender Dialog konnte deshalb schon vor der Behandlung »des eigentlichen Problems« einige Erleichterung bringen.

Fallgeschichte 8: Dreißig Prozent – ein realistisches Ziel?

Sara, eine äußerst erfolgreiche Anwältin, wurde von ihrem Mann überredet, zu einer ersten anamnestischen Sitzung zu gehen – trotz ihrer Überzeugung, dass ihr Problem unbehandelbar sei. Als Folge einer Kopfverletzung bei einem Unfall hatte sie die Kontrolle über Lachen und Weinen verloren. Ein kleiner Scherz konnte unkontrollierbares Gelächter in ihr auslösen, ein trauriger Kommentar krampfhaftes Weinen. Sie fühlte sich so schlecht, dass sie ihre Arbeit drastisch einschränkte und sogar überlegte, ob sie ihren Beruf ganz aufgeben sollte. Sie begann das Gespräch mit großer Skepsis.

Sara: Ich bin eine direkte Person und verberge meine Meinungen nicht. Seien Sie nicht gekränkt, aber ich glaube nicht, dass Psychotherapie mir helfen kann. Ich bin nur hierher gekommen, um meinen Mann zufrieden zu stellen. Ich verstehe mein Problem in aller Tiefe. Der Ursprung ist organisch, da ist kein psychologischer Faktor mit im Spiel. Das Gehirn kann nicht repariert werden. Jede Behandlung, die Sie mir zukommen lassen können, ist so, als ob Sie Krebs mit Aspirin behandeln.

Therapeut: Sie haben Recht. Angesichts des medizinischen Befunds kann Psychotherapie ihren Zustand nicht heilen. Aber vielleicht kann sie Ihnen eine gewisse Erleichterung verschaffen.

Sara (mit Verachtung): Jetzt werden Sie vorschlagen, ich sollte lernen, mit dem Problem zu leben.

Therapeut: Um antworten zu können, muss ich ein paar Dinge verstehen. Was tun Sie, wenn Sie anfangen zu weinen?

Sara: Ich versuche, darüber wegzukommen.

Therapeut: Wie erfolgreich sind Sie dabei?

Sara: Nicht sehr (Sara fing an zu weinen und versuchte verzweifelt, das Weinen unter Kontrolle zu bringen. Sie beugte sich nach vorn, vergrub ihren Kopf in den Händen und rieb sich hart das Gesicht – ohne Erfolg).

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