Arbeitsmarkt 2030 - Eine strategische Vorausschau auf Demografie, Beschäftigung und Bildung in Deutschland

Arbeitsmarkt 2030 - Eine strategische Vorausschau auf Demografie, Beschäftigung und Bildung in Deutschland

 

 

 

von: Kurt Vogler-Ludwig, Nicola Düll

wbv Media, 2013

ISBN: 9783763953097

Sprache: Deutsch

199 Seiten, Download: 2829 KB

 
Format:  EPUB, auch als Online-Lesen

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Arbeitsmarkt 2030 - Eine strategische Vorausschau auf Demografie, Beschäftigung und Bildung in Deutschland



Kurzfassung


Aufgabenstellung und Methode

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Economix am 2. November 2011 mit der „Analyse der zukünftigen Arbeitskräftenachfrage und des -angebots auf Basis eines Rechenmodells“ beauftragt. Nach der Aufgabebeschreibung des BMAS soll das Projekt „regelmäßig und dauerhaft transparente, detaillierte und wissenschaftlich fundierte Einschätzungen über die zukünftige Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitskräftenachfrage und des -angebots in Deutschland“ erstellen. Dazu war ein Prognosemodell zu entwickeln, das als Frühwarnsystem dient, um mögliche Arbeitskräfteengpässe besser abzuschätzen und zielgerichtete Maßnahmen zur Arbeitskräftesicherung abzuleiten. Wir legen hiermit unseren Hauptbericht 2012 vor und ergänzen die Berichterstattung durch einen Experten- und Szenarienbericht sowie durch einen Methodenbericht2).

Es war uns klar, dass wir die uns gestellte Aufgabe angesichts der starken Verwerfungen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mit einem rein auf die Vergangenheit gestützten ökonometrischen Modell lösen können. Vielmehr mussten wir von viel­fältigen Strukturbrüchen ausgehen, wie sie von den Nachwirkungen der Krise, der fortschreitenden Globalisierung der Wirtschaft und der Arbeitsmärkte und vom gesellschaftlichen Wandel ausgehen. Unsere methodische Antwort war daher die Kombination von qualitativen Zukunftsszenarien mit mathematischen Prognoseverfahren, um so die Vorausschau zu den grundlegenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft in exakte empirische Prognosedaten umzusetzen.

Zwei alternative Zukunftsszenarien wurden auf Basis von sieben Fachexpertisen entwickelt. Dabei ging es um Globalisierung, technologischen Wandel, Arbeitsorganisation, Klimawandel und vor allem um die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Bildungs- und Beschäftigungsverhalten in der deutschen Bevölkerung. Die Erkenntnisse aus diesen Fachexpertisen wurden in einem Workshop im April 2012 mit dem Auftraggeber diskutiert, zu Szenarien verdichtet, und als Grundlage für die Modellrechnungen verwendet.

Die quantitativen Modelle beruhen auf dem von Cambridge Econometrics, dem Warwick Institute for Employment Research und dem Research Centre for Education and the Labour Market entwickelten Arbeitsmarktmodell, das auch für die Qualifikationsprognosen des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung CEDEFOP zum Einsatz kommt. In der speziell für Deutschland ent­wickel­ten Modellvariante werden 44 Wirtschaftszweige, 88 Berufsgruppen und 27 Fachrich­tun­gen der beruflichen Bildung unterschieden – ein Detailgrad, der weit über die vorliegenden Prognosen hinausgeht.

Die insgesamt sieben Module des quantitativen Modells schätzen Angebot und Nachfrage von Arbeitskräften simultan und berücksichtigen damit die vielfachen Rückkoppelungen auf den Arbeitsmärkten. Es war uns wichtig, die Anpassungsreaktionen des Arbeitskräfteangebots auf Veränderungen in der Nachfrage abzubilden, ebenso wie die Anpassungen der Arbeitskräfte­nach­frage auf die sich abzeichnenden Engpässe im Angebot. Nur so kann man das Abgleiten der Prognose in eine starre und zunehmend unrealistische Welt verhindern. Auch darin unterscheidet sich unser Vorgehen von anderen Prognosemodellen, die häufig getrennte Schätzungen für Angebot und Nachfrage vornehmen. Das Ausmaß der von uns unterstellten Anpassungen verdeutlichen wir an verschiedenen Stellen dieses Berichts durch Simulationen.

Neuland wurde auch im Hinblick auf die Messung der Arbeitsmarktströme betreten, die erstmals in tiefer beruflicher und qualifikationsspezifischer Untergliederung dargestellt und prognostiziert wurden. Die Erfassung der Zugänge und Abgänge im Arbeitsmarkt war maßgeblich für die Messung der Arbeitskräfteengpässe und die Analyse der Anpassungs­vor­gänge zwischen Angebot und Nachfrage.

Unsere Prognose schließt die möglichen Reaktionen von Politik, Unternehmen und Arbeitskräften auf die Entwicklungen mit ein. Dazu gehören insbesondere die Reaktionen auf die demografisch bedingte Verknappung des Arbeitsangebots während der nächsten 20 Jahre. Wir unterstellen daher weitere Anstrengungen bei der Umsetzung des Fachkräftesicherungskonzepts der Bundesregierung, von denen wir bedeutende Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen, den Umfang der Arbeitszeit von Teilzeitkräften, die Erwerbsquoten der älteren Bevölkerung und schließlich auf Umfang und Struktur der Zuwanderung erwarten. Ebenso treffen wir Annahmen über die technologische Entwicklung, die Globalisierungsstrategien der Unternehmen sowie die Spezialisie­run­g im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung. Die Prognose ist daher keine Status-quo-Prognose, in der das Reaktionsverhalten eingefroren wird, sondern eine politische Prognose, die notwendiges Handeln bereits einschließt. Wir verstehen diesen Bericht daher als eine strategische Vorausschau auf eine der möglichen Alternativen für die Zukunft des Arbeitsmarktes in Deutschland. Wir legen ihn als Beitrag zur weiteren Diskussion über die Zukunft der Arbeit vor und nicht als das Ergebnis dieser Debatte.

Entwicklung des Arbeitskräfteangebots


Demografischer Wandel: Herausforderungen durch Bevölkerungsrückgang und Alterung

Auch unter der Annahme, dass Politik und Unternehmen alles tun werden um das Arbeitsangebot auszuweiten wird die Zahl der auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Arbeitskräfte bis 2030 um 2,9 Millionen zurück gehen. Dafür ist vor allem die Bevölkerungsentwicklung verantwortlich, die die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter von 15 bis 74 Jahren um 4,7 Millionen absinken lässt.

Abb. 1: Erwerbspersonen nach AlterErwerbspersonen nach Alter
Veränderung 2010–30 in 1.000

Quelle: Economix

Die demografische Entwicklung kann kaum ungünstiger verlaufen: die Zahl junger Leute wird deutlich zurück gehen, wie auch die Generation im mittleren Alter. Die Zahl der Älteren wird hingegen deutlich zunehmen. Dies wird dazu führen, dass die Zahl der Erwerbspersonen im Alter von 15–24 bis 2030 um 980.000 sinken wird, und die Erwerbspersonen zwischen 25 und 54 sogar um 4,8 Millionen. Dem wird ein Zuwachs von 3 Millionen bei den Erwerbspersonen über 55 gegenüberstehen (Abbildung 1).

Diese Zahlen berücksichtigen die Variante 1-W2 der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamtes, die von einer Nettozuwanderung von 200.000 Personen ab dem Jahr 2020 ausgeht und zudem eine steigende Lebenserwartung und weitgehend konstante Geburtenziffern unterstellt. Der demografische Wandel wird damit in den nächsten 20 Jahren zur unausweichlichen Realität, die weder durch Familienpolitik noch durch Zuwanderung grundlegend verändert werden kann.

Wir gehen davon aus, dass Politik und Unternehmen sich den Herausforderungen des demografischen Wandels stellen werden, so dass die bestehen Arbeitskräftepotenziale, die Möglichkeiten zur Höherqualifizierung der Erwerbsbevölkerung, sowie die Zuwanderungspotenziale im Ausland ausgeschöpft werden. Wir schließen das  Konzept zur Fachkräftesicherung des BMAS in unsere Überlegungen ein und erwarten darüber hinaus, dass die Unternehmen ihre Anstrengungen zur Sicherung ihres Arbeitskräftebedarfs verstärken werden. Vor dem Hintergrund unserer Prognoseergebnisse stellen wir die dazu erforderlichen Maßnahmen im Folgenden dar.

Beschäftigungssicherung für ältere Arbeitskräfte

Als Folge der Rentenreform werden sich die Erwerbsquoten älterer Menschen erhöhen. Dies wird nicht allein Folge der gesetzlichen Regelungen des Renteneintrittsalters sein, sondern eine arbeitsmarktpolitische Notwendigkeit. Der sich abzeichnende Mangel an Arbeitskräften wird Unternehmen und Arbeitsmarktpolitik dazu veranlassen, möglichst viele ältere Arbeitnehmer im Arbeitsmarkt zu halten. Im Rahmen eines breit angelegten Programms zur Beschäftigungssicherung und Aktivierung älterer Arbeitnehmer werden die Unternehmen und die betrieblichen Sozialpartner flexible Arbeitszeitmodelle für Ältere und altersgerechte Personalmanagementkonzepte entwickeln, die Weiterbildung über das ganze Berufsleben hinweg ausdehnen und in allen Qualifikationsstufen in die Bildung investieren. Die Betriebe werden ihre Arbeitsorganisation an die veränderten Altersstrukturen anpassen und den Wissenstransfer zwischen Älteren und Jüngeren in ihren Belegschaften organisieren. Unter diesen Annahmen erhalten ältere Arbeitnehmer eine höhere Wertschätzung und werden damit auch bereit sein länger zu arbeiten. Drohende Altersarmut wird ebenfalls die Bereitschaft erhöhen möglichst lange zu arbeiten. Insbesondere bei Frauen besteht die Notwendigkeit, das Erwerbsleben zu verlängern, da sie häufig aufgrund durchbrochener Erwerbsbiografien relativ niedrige Rentenansprüche besitzen. Zugleich sind sie häufiger auf sich alleine gestellt und müssen entsprechend für ihre Rente vorsorgen.

Die Entwicklung kann aber auch weniger günstig verlaufen: Dem Arbeitsmarkt würden im Jahr 2030 in etwa 1,2 Millionen Arbeitskräfte weniger zur Verfügung stehen, sollten sich die Erwerbsquoten der Älteren nur um die Hälfte des angenommen Zuwachses erhöhen. Dies könnte eintreten falls Unternehmen und Politik unzureichende Anreize setzen, um die älteren Arbeitskräfte im Arbeitsmarkt zu halten, die notwendigen Arbeitsplätze für ältere Arbeitskräfte nicht zur Verfügung stehen, oder die Präferenz der Arbeitskräfte am frühzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt stärker ist als alle Anreize.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Der Prognose wurde die Annahme zu Grunde gelegt, dass sich Erwerbsquoten von Frauen erreichen lassen, wie sie in Dänemark,...

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